:: Freiheiten -2-::
Bestimmt hast du in letzter Zeit beobachtet, wie du mit deinen Kindern sprichst, hast dir selbst zugehört und geschaut, ob dein Nachwuchs vielleicht doch jeweils die Mehrheit der Entscheidungen trifft. Möglicherweise hat sich so ganz unbewusst ein Muster einge-schlichen.
Falls du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, tue dies doch hier:
http://childwise-ch.blogspot.ch/2016/10/freiheiten-1.html
Kleinkindern brauchen nicht alle Freiheiten, die wir ihnen geben; es ist sogar so, dass sie diese nicht brauchen, weil es sie überfordern würde, denn sie können noch nicht damit umgehen.
Wer entscheidet, welche Kleider angezogen werden? Hast du immer einen Kampf?
Kleider sind so eine Sache, die ein Riesendrama auslösen können. Ich habe meinen Kleinkindern jeweils die Kleider vorbereitet, und je älter sie wurden, desto öfters haben wir 1-2 Tage pro Woche eingeführt, an denen sie ihre Kleider selbst aussuchen durften. Jetzt sind sie soweit, dass sie alle ihre Kleider jeden Tag selbst aussuchen dürfen. Meine Kinder sind 11, 9 und 7 Jahre alt, die älteren können dies natürlich schon länger als die Jüngste. Sie machen das wirklich vorbildlich. Wenn es mal sein sollte, dass ihr Outfit wettertechnisch nicht angebracht ist und ich sie darauf aufmerksam mache, ziehen sie sich um, ohne dass sie schäumend auf dem Boden liegen.
Ich weiss, dass viele Eltern den Kinder das Kleideraussuchen überlassen möchten, weil die Mamis und Papis möchten, dass ihr Nachwuchs selbst seinen Stil findet, sich kreativ ausleben kann, und sie ihm nichts aufzwingen möchten. Genau das können die Kinder aber noch ihr ganzes Leben lang. Meine Kinder haben ihren Stil gefunden (die einen mehr als die anderen.) :-) Und die paar Jahre, wo Mami ihnen die Kleider raussuchte, haben ihre Kreativität nicht eingeschränkt oder werden sie nicht davon abhalten, eventuell mal Modedesigner zu werden. :-)
Verbale Freiheiten sind auch so ein Thema. Sagen deine Kinder dir immer, was sie machen werden, oder fragen sie dich?
„Ich gehe nach draussen“, „ich hole einen Snack“, „ich spiele auf dem iPad“, etc.
Wie wärs mit: "Darf ich bitte, ….?"
Diese Frage verändert alles! Lehre deinen Kindern, um Erlaubnis zu bitten. Es macht ehrlich einen riesengrossen Unterschied, man kann fast sagen, es ist ein Wunderrezept!
Vielleicht bist du dir immer noch nicht sicher, ob dein Kind süchtig nach Wahlmöglichkeiten ist.
Da gibt es einen einfachen Test: Du bereitest das Frühstück fixfertig vor, und wenn dein Kind zum Frühstück kommt, ist alles schon bereit.
Wie reagiert es dann? Seine Reaktion zeigt, ob es doch vielleicht ein wenig süchtig nach Wahlmöglichkeiten ist. Wage es mal. :-)
Und nochmals, weil ich weiss, was deine Frage ist: “Darf ich meinen Kindern nie Freiheiten geben? Sie sollen doch selbstständig werden!“
Es geht hier um ein Muster. Es geht nicht darum, dass du deine Kinder nie fragst was sie gerne hätten oder ihnen Freiheiten gewährst. Es geht um ein ungesundes Muster, darum, dass du deine Kinder immer und immer wieder fragst, was sie gerne möchten.
Glaube mir, dieses Zu-viele-Freiheiten-haben hat so viel Einfluss auf die verschiedensten Bereiche.
Wenn du mit ständigen Wutanfällen deines Kindes kämpfst, es nie das machen will, was du sagst, dann fragt dich doch mal, ob es vielleicht sein könnte, das es zu viele oder zu wenige Freiheit hat. Nicht immer, aber oft hat es jedoch mit dem zu tun.
Stelle dir die Frage, ob deine Kinder zu viele Freiheiten haben, regelmässig und in jeder Phase der Erziehung. Du wirst dich immer wieder mal ertappen, deinen Kindern zu viele Freiheiten zu geben. Das hat man nicht einfach irgendwann „drin", sondern oft verfallen wir Eltern wieder in ein ungesundes Muster, weil wir müde sind, beim Jüngsten nehmen wir es nicht mehr so ernst, etc.
Die nächste grosse Frage ist: Wann kann ich meinen Kindern dann überhaupt Freiheiten übergeben?
Wenn sie altersmässig und entwicklungsmässig dazu bereit sind. Denn die Freiheit zieht Verantwortung nach sich. Kinder bekommen also mehr Freiheiten, wenn sie verantwortlich damit umgehen können.
Natürlich gebe ich dir (leider! :-) ) kein Alter an, denn jedes Kind ist anders.
Ich weiss, auch hier hätten wir gerne einen Katalog, wann wir Freiheiten übergeben können. Vertraue darauf, dass du deine Kinder am Besten kennst und weisst, wann es Zeit dazu ist.
Vielleicht hilft dir das Bild eines Trichters. Mir hilft es immer wieder.
Der Trichter ist unten ganz eng, da bist du in den ersten Jahren der Erziehung. Du lehrst das Kind und übernimmst Entscheidungen an seiner Stelle. Dann wird der Trichter immer weiter und du übergibst deinen Kindern mehr Freiheiten, je älter sie werden.
Oft beginnen wir jedoch genau umgekehrt und merken nicht, welches Chaos dies verursacht. Unsere Kinder denken, dass sie alles entscheiden können, da es ihnen zusteht.
Ich kenne die verschiedensten Mütter mit Teenagern die mir sagen, dass ihre Kinder sich alles nehmen, was sie möchten. Diese Jungen haben den Anspruch, dass sie natürlich das neue iPhone erhalten, und wenn nicht, fühlen sie sich ungerecht behandelt.
Sie bleiben draussen, so lange sie möchten, nehmen das Essen aus dem Kühlschrank und gehen ins Zimmer, um den Abend mit Gamen zu verbringen … - siehst du, wie sich diese Freiheiten verändern?
Wenn die Kinder noch klein sind, sind es unbedeutende Sachen - die Eltern wollen sich nicht wirklich damit auseinandersetzen, denn das würde ja ein Riesengeschrei und ein Kampf geben. Je grösser die Kinder werden, desto länger haben sie gelernt, dass sie alles entscheiden können. Diese Entscheidungen sind dann aber nicht mehr so klein und unscheinbar. Plötzlich sind wir als Eltern überfordert mit der Wahl, die unsere Teenager treffen. Wir finden diese Dinge nicht mehr so unwichtig. Für unsere Teenager, die aber über die letzen 13 Jahre alles entscheiden konnten, ist das eine grobe Einmischung, denn sie haben gelernt, dass es jeweils so läuft wie sie es wollen.
Eigentlich verständlich, nicht?
Überlege dir diese Woche, wie es mit der Kleiderwahl und den verbalen Freiheiten bei euch zuhause aussieht.
Fortsetzung folgt.
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